Die Türkei

Das Land der Straßenhunde und -katzen

Wer Urlaub in der Türkei macht, sieht sie an jeder Ecke, in den Städten, am Strand, an den Landstraßen - streunende Hunde und Katzen. Sie gehören zum Bild des Landes wie Moscheen, Baklava und Plantagen. Allein die Zahl der herrenlosen Hunde in der Türkei wird auf etwa vier Millionen Tiere geschätzt, doch ihre genaue Anzahl kennt niemand.

Viele Straßentiere in der Türkei

Aus unserem Leben in Deutschland sind uns streunende Hunde und Katzen vermutlich unbekannt, in vielen typischen Urlaubsländern wie der Türkei, Spanien, Portugal oder Griechenland ist es ganz normal, dass ein Hund oder eine Katze keinen Besitzer und kein Zuhause hat. Aber wie kommt es, dass diese Länder so enorme Populationen an Straßentieren haben? 

Tatsächlich sind die meisten dieser Tiere Nachkommen unkastrierter Haustiere. In der Türkei sind Hunde häufig als Nutztiere eingesetzt, sie sollen ein Grundstück oder eine Schafherde bewachen. Diese Tiere verbringen ihre gesamte Lebenszeit draußen und sind nicht kastriert, sie vermehren sich und die unerwünschten Nachkommen landen auf der Straße. Wenn sie Glück haben, werden sie mit der Mutter zusammen ausgesetzt. Einige werden auch auf der Straße geboren, doch nur ein Bruchteil überlebt. Doch dieser Bruchteil reicht aus, um neue Nachkommen zu zeugen. 

Eine Hündin kann zweimal jährlich Welpen bekommen. Diese Welpen werden im Folgejahr selbst geschlechtsreif und vermehren sich. Die Zahl der Tiere steigt also exponentiell an - je mehr Tiere es gibt, desto mehr Tiere kommen nach. Innerhalb weniger Jahre in einiger Generationen kann ein Paar so zehntausende Nachkommen in haben. Hat sich in einer Region einmal eine Population an Tieren etabliert, ist es schwierig, diesen Teufelskreis zu durchbrechen, aber nicht unmöglich.

Das harte Leben auf der Straße

Die Tiere haben auf der Straße ein hartes und leider meistens auch kurzes Leben. Sie sind einer Reihe von Gefahren ausgesetzt, wobei die meisten dieser Gefahren von Menschen ausgehen. Deutschland gilt als sehr tierliebes Land, in vielen südlichen Ländern herrscht ein anderes Bild von Tieren, ihr Wert wird an ihrem Nutzen gemessen und sie gelten nicht als Familienmitglieder, sondern als Störenfriede.

Die Tiere werden erschossen, geschlagen, ertränkt, getreten, vergiftet und überfahren. Daher sind viele Straßentiere scheu und halten einen Sicherheitsabstand zu Menschen, ihre schlechten Erfahrungen haben es sie so gelehrt. Ganz fernbleiben können sie jedoch nicht, denn sie sind angewiesen auf Essensreste und Abfälle, die die Menschen hinterlassen. Für die Tiere ist dies oftmals die einzige Nahrungsquelle.

Doch auch diejenigen, die sich von Menschen fernhalten, sind nicht sicher. Ihnen drohen Krankheiten und unbehandelte Verletzungen, die sich entzünden könnten, Beißereien und Territorialkämpfe. In der Türkei gibt es eine Reihe von Infektionskrankheiten wie Parvovirose , Räude, Staupe, Leishmaniose, Ehrlichiose, FIV, FIP oder Katzenschnupfen, die unbehandelt zum Tod führen. 

Da die Ressourcen wie Reviere und Futterquellen knapp sind, kämpfen die Tiere untereinander darum und verletzen sich dabei oftmals gegenseitig. Tierschutzvereine und auch einige Gemeinden, in denen der Tierschutz inzwischen einen Stellenwert hat, richten Futterstellen ein, um den Tieren mehr Ressourcen bereitzustellen.

Ein Leben in Freiheit

Doch nicht jedes frei lebende Tier muss "gerettet" werden. Viele von ihnen leben bereits ihr ganzes Dasein in einem festen Gebiet und haben gelernt, dort zurechtzukommen. Viele wollen mit Menschen auch gar nichts zu tun haben und genießen ihr Leben in Freiheit, trotz der Gefahren auf der Straße. Sie wissen, wo sie ihr Futter finden und wo sie sich bei schlechtem Wetter oder Gefahr verkriechen können. Sie sind Teil eines festen Rudels und haben eine etablierte Rolle in ihrer Gruppe. Teil des Tierschutzgedankens ist es, diese Tiere in ihrem gewohnten Umfeld zu belassen und sie, wenn nötig, mit Futter oder medizinischer Hilfe zu unterstützen, aber nach einer medizinischen Behandlung auch wieder an ihren Platz zurückzubringen. 

Hunde und Katzen sind charakterlich genauso individuell wie wir Menschen. Manche möchten gerne den ganzen Tag draußen und frei sein, ohne mit Menschen Kontakt zu haben. Andere Tiere sind sehr menschenbezogen und wären in einem eigenen Zuhause sicherlich glücklicher als zwischen Asphalt und Gebüsch. Doch dies allein ist noch kein Grund, ein Tier bei einem Tierschutzverein unterzubringen. 

Welche Tiere "gerettet" werden

Wir nehmen Tiere auf, die

  • auf der Straße nicht zurechtkommen.
  • zu jung und ohne Muttertier sind.
  • verletzt oder krank sind und eine längere medizinische Behandlung benötigen.

Ob ein Tier aufgenommen werden kann, hängt auch immer von der aktuellen finanziellen Situation des Vereins ab und davon, ob irgendwo noch ein Plätzchen frei ist. Tiere, die wir aufnehmen, werden zur Vermittlung nach Deutschland ausgeschrieben und hoffen, dass jemand sich in sie verliebt und ein Zuhause anbietet. 

Unsere Vermittlingstiere

Die meisten Tiere kann man nach ein paar Tagen in der Tierklinik wieder an ihren Platz zurückbringen. Bei schwerwiegenden Verletzungen mit langer Heilungsdauer oder Krankheiten, die eine dauerhafte Medikamentengabe notwendig machen, dauert der Klinikaufenthalt auch mal länger und nach einer gewissen Zeit gewöhnen die Tiere sich daranm eine sichere Unterbringung zu haben und täglich gefüttert zu werden. Bleibt ein Tier mehrere Wochen seinem Revier fern, wird es nach einer Rückkehr dorthin möglicherweise nicht mehr von anderen Tieren akzeptiert und verjagt oder angegriffen. Daher ist es nicht vertretbar, Tiere nach einem langen Klinikaufenthalt zurückzubringen, außer. sie sind in Gefangenschaft sichtbar unglücklich. Genauere Erläuterungen dazu, warum wir nicht jedes Tier aufnehmen (können) haben wir in einem Blogbeitrag zusammengefasst.

Tierschutz in der Türkei

In der Türkei steckt der Tierschutz noch in den Kinderschuhen. Insbesondere Menschen der älteren Generation sind mit der Ansicht aufgewachsen, Tiere seien Sachen und sie sehen sie nicht als fühlende Lebewesen an. In den jüngeren Generationen, insbesondere in den Städten, ändert sich diese Denkweise langsam, doch es ist noch ein weiter Weg. Es ist daher sehr wichtig, Aufklärung zu betreiben und den Tierschutzgedanken in der Bevölkerung zu säen. 

Obwohl die Gemeinden in der Türkei einen Kastrationsauftrag haben, kommen die meisten Gemeinden diesem nicht nach. Zu groß sind der Aufwand und die Kosten. Es gibt staatliche Tierheime in den Gemeinden, in den meisten dieser Einrichtungen herrschen jedoch grauenvolle Zustände. Die Tiere werden in winzigen Zwingern gehalten und neue Tiere willkürlich dazugesetzt, was zu Beißereien führt. Die Tiere werden nicht medizinisch versorgt und oftmals auch kaum gefüttert. Sie verhungern, sterben in Kämpfen oder an Krankheiten, die sich unter den unhygienischen, beengten Bedingungen schnell ausbreiten.

Private Tierschutzvereine in der Türkei

Wegen des enormen Bedarfs haben sich über die Jahre einige private Tierschutzvereine und Tierschützer aus Mitteleuropa in der Türkei angesiedelt, aus Mitleid mit den Tieren und in der Hoffnung, eine Veränderung bewirken zu können. Diese Tierschutzvereine, zu denen auch Kitmir zählt, werden nicht mit staatlichen Geldern unterstützt und finanzieren sich meist allein aus Spenden tierlieber Menschen in Deutschland und den Nachbarländern. Die wenigen Vereine, die vor Ort aktiv sind, haben zu wenig finanzielle Mittel und Personal, um all das Tierleid, mit dem sie tagtäglich konfrontiert sind, zu bewältigen. Sie werden täglich bombardiert mit Meldungen verletzter und hilfsbedürftiger Tiere, doch es gibt viel zu wenig Kapazitäten für all die Notfälle, da der Staat selbst keine Ressourcen bereitstellt. 

In Deutschland können wir immer einen Notdienst rufen, wenn wir ein verletztes Tier finden, es gibt immer eine Institution, die zuständig ist, das Tier in Obhut nimmt und medizinisch versorgt. In der Türkei gibt es das nicht, keine Hotline, keinen Rettungsdienst. Daher bleibt der Großteil dieser Arbeit an privaten Tierschutzvereinen aus dem Ausland hängen.

Für Touristen, die vor Ort ein Tier in Not gefunden haben, haben wir daher eine Hilfeseite zusammengestellt.

Umgang mit Fundtieren

Maßnahmen ohne Wirkung

In einigen Ländern wie Spanien, Rumänien Griechenland gibt es bereits seit Jahren Tötungsstationen. Hundefänger erhalten pro Tier, welches sie in die Tötungsstation einliefern, eine Prämie. Offiziell wird oftmals behauptet, die Tiere würden dort eingeschläfert, doch die Realität sieht oftmals deutlich brutaler aus. Um die Tierarztkosten zu sparen, werden die Tiere erschlagen oder lebendig begraben. 

In der Türkei gibt es derzeit keine offiziellen Tötungsstationen, doch hinter verschlossenen Türen in den staatlichen Tierheimen laufen dieselben Praktiken ab wie in Rumänien und Spanien. Immer wieder kursieren Videos von grausamen Tötungen, die wie hier bewusst nicht verlinken. Doch nun soll ein neues Gesetz beschlossen werden, demnach Hunde auch in der Türkei 30 Tage nach dem Einfangen getötet werden sollen. Dieser Ansatz ist nicht nur ethisch unvertretbar und inhuman, sondern auch wirkungslos, wie der Blick auf andere Länder mit Tötungsabsicht zeigt. Die Zahl der Straßentiere wird durch Tötungen nicht gesenkt, da ständig neue Welpen und Kitten nachrücken. Tötungsstationen lösen nicht das Problem, sondern erzeugen eine endlose Reihe von Tierleid und sinnlos vergeudeten Leben. 

Lösung: Kastrationskampagnen

Die einzige, nachhaltige Lösung sind groß angelegte Kastrationskampagnen. Hier reicht es nicht aus, die streunenden Tiere zu kastrieren, es muss auch eine Kastrationspflicht für Katzen und Hunde mit unbeaufsichtigtem Freigang geben, da diese Tiere für einen Großteil des Nachwuchses verantwortlich sind. 

Natürlich ist es nicht möglich, Millionen von Tieren innerhalb kürzester Zeit zu kastrieren, allein schon deshalb, weil sich nicht jedes Tier wird einfangen lassen. Kastrierte Tiere werden nach der Wundheilung wieder an ihren Stammplatz zurückgebracht. Bis die Population merklich sinkt, werden Jahre vergehen und enorme Summen investiert werden müssen, denn eine Kastration kostet um die 100€. Doch mit einem einzigen kastrierten Tier lassen sich bereits zehntausende potentielle Nachkommen verhindern! 

Leider gibt es in den meisten Gemeinden gar keine Kastrationsprojekte, da diese teuer und aufwendig sind. Kitmir kastriert in dem Gebiet rund um Demirtas regelmäßig Hunde und Katzen und jedes Tier, das wegen einer Verletzung oder Krankheit mitgenommen wird, wird während der Behandlung auch kastriert. Hierfür sind wir dringend auf Kastrationspaten und Spenden angewiesen! 

Kastrationsprojekt

Adoptieren statt kaufen

Tiere, die nicht zurück auf die Straße können, beispielsweise, weil sie zu klein oder jung sind oder zu sehr an Menschen gewöhnt, versuchen wir ein Zuhause in Deutschland zu finden. Jedes Tier, welches in Deutschland ein Zuhause findet bedeutet gleichzeitig ein Straßentier weniger. Die Zahl der Vermittlungen nach Deutschland ist jedoch so gering, dass diese Maßnahme maximal einen positiven Nebeneffekt und definitiv keinen alleinigen Lösungsansatz darstellt. 

Wer sich für ein Tier aus dem Tierschutz entscheidet, leistet gleichzeitig einen Beitrag zur Verringerung der Population. Für das adoptierte Tier ändert sich damit das ganze Leben. Sie haben plötzlich Sicherheit, eine Perspektive und Liebe - etwas, worauf 99% der Straßentiere niemals eine Chance haben werden. Wir möchten daher jeden, der auf der Suche nach einem Haustier ist, ermutigen, sich an einen Tierschutzverein zu wenden und keinen Züchter zu unterstützen, denn diese produzieren nur weitere Jungtiere, während tausende arme Tiere in Tierheimen auf ihre Chance warten.

Unsere Vermittlungstiere